Einmal einem Sternekoch bei der Arbeit auf die Finger gucken? Das kann man nun im kürzlich neu eröffneten Restaurant Steinhalle in Bern. Der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Spitzenkoch Markus Arnold serviert dort seit Ende Oktober sein «Casual Dining»-Menü. Aber lasst euch vom Namen nicht beirren: Das Ambiente mag zwar angenehm casual sein, doch die Küchenkreationen sind ganz hohe Kunst.
Markus Arnold ist kein Unbekannter in der Gastro-Szene. 2010 bekam er für seine Kochkünste im noblen Meridiano des Berner Kursaals einen Michelin-Stern. Kein Wunder also, werde ich immer hellhörig, wenn ich von einem neuen kulinarischen Projekt des begabten Küchenchefs erfahre. In den vergangenen Jahren hat er mir mit seinen Pop-up Restaurants «Brother Frank» und »Mister Mori – Tokyo Cuisine» mit vietnamesischen und japanischen Köstlichkeiten den Mund schon wässrig gemacht. Nun hat er nach langem Warten mit der Steinhalle endlich sein eigenes Restaurant eröffnet. Und was er da mit seiner Küchencrew zaubert, schmeckt wirklich vortrefflich. Aber ich bin mal wieder zu voreilig. Zuerst noch ein paar Worte zum neuen Restaurant.
Steinhalle: das Restaurant
Die Steinhalle ist eigentlich nichts Neues. Im Gegenteil, es gibt sie schon richtig lange. Die Räumlichkeiten gehören zum Historischen Museum Bern. Hier wurden einst Steinkulturgüter des Museums gelagert, daher auch der Name. Später wurde das Museumsbistro in der Steinhalle eröffnet. Und auch heute ist die Location mit Blick auf den idyllischen Park ein schöner Ort, um einem Tag im Museum mit Kaffee, Kuchen oder einem feinen Essen das Krönchen aufzusetzen.
Vor der Neueröffnung des Restaurants hat Markus Arnold das Lokal umbauen lassen und der Steinhalle seine eigene Note verliehen. Zwei Neuheiten fallen ganz besonders auf: die offene Schauküche und ein riesiges Gemälde, das einen nackten Mann zeigt. Keine Angst, allfällige Anstössigkeiten sind gekonnt verdeckt 😉
Offene Schauküche in der Steinhalle
Wer möchte schon nicht mal einem Spitzenkoch bei der Arbeit zuschauen? Die offene Schauküche macht es möglich. Dafür muss man aber bei der Reservation einen Platz am Chef’s Table buchen. Von dort aus kann man den Kochkünstlern direkt auf die Finger gucken. Und dabei ihre Kreationen geniessen. Für mich zweifellos die besten Plätze in der Steinhalle.
Das Menü «Wald» in der Steinhalle
Eine klassische Karte gibt es beim «Casual Dining» nicht. Man kann lediglich zwischen einem 4-, 5- und 6-Gang Menü wählen. Allergien und Präferenzen kann man vorher angeben. Alles andere überlässt man den Kochprofis. Diese kreieren ihre Menüs passend zur Saison und auf Wunsch auch mit Getränkebegleitung. Die erste Saison in der Steinhalle wurde mit dem Menü «Wald» eröffnet. Wer jetzt an Hirsch- und Rehpfeffer denkt, darf sich auf eine aufregende Überraschung freuen. Denn hier sind eindeutig Künstler am Werk:
Zum Apéro wurde ein Nüsslisalat mit Speckpulver serviert und dazu geräucherter Egli mit Dill. Der Egli ist übrigens von La Perche Loë und stammt aus rein schweizerischer Zucht – vom Ei bis zum Filet.
Als Markus uns das Apéro servierte, meinte er, es gäbe zum Anfang ein bisschen Finger Food. Meine Freundin und ich waren uns nicht ganz sicher, ob er auch den Salat damit meint, wollten aber nicht zu engstirnig wirken und haben deshalb auch den Nüsslisalat ohne Besteck gegessen. Im Nachhinein haben wir gesehen, dass in einer kleinen Holzkiste auf dem Tisch Besteck lag.. 🙂 Wie gesagt, die Steinhalle ist sehr casual… 😉
Bei diesem Gang waren wir uns aber ganz sicher: Hier darf man Hand anlegen. Muss sogar! Anders lassen sich diese leckeren Kohlrabi Rolls nicht essen. Vier hauchdünne Scheiben Kohlrabi gefüllt mit Apfel, Coleslaw, Shiitake Pilzen und Sous-Vide vom Schwein, das auf der Zunge zergeht.
Ceviche vom Egli (wieder von La Perche Loë) mit Koriander, Rettich und das Ganze in einem Laub-Consommé. Ja, ihr lest richtig. LAUB. Das Menü heisst nicht umsonst «Wald». Wer hätte gedacht, dass Laub so lecker schmeckt?
Auch der nächste Gang ist etwas für Fisch-Fans: Temperierter Saibling mit Blattspinat in einer Estragon Beurre blanc. Die Beurre blanc ist definitiv keine leichte Kost, aber meiner Meinung nach jede einzelne Kalorie wert!
Der Hauptgang ist überraschenderweise der erste Fleisch-Gang. Doch das Warten hat sich gelohnt. Lammfleisch an Wildjus mit Heidelbeeren, dazu Rosenkohl, Dreierlei Topinambur und Kartoffelespuma mit Röstzwiebeln und Schnittlauch. Besonders lecker fand ich das Kartoffelespuma.
Vor dem Dessert gab es als kleinen Zwischengang ein weiteres Dessert. Ich liebe solche Überraschungen 🙂 Vor allem wenn das Dessert vor dem Dessert sooo lecker schmeckt. Ein Amaranth-Quinoa-Sandwich mit Sauerklee-Traubeneis. Das war sowas von meins!
Das Grande Finale machte ein Dessert aus Brombeermousse mit Waldbeerenjus. Dazu Tannzapfen Granita mit Sauerrahm. Ein wahrlich krönender Abschluss. Vor allem mit dem Tannzapfen Granita schmeckte man wieder das Waldsujet heraus.
Fazit
Na, wer hat jetzt Hunger bekommen? Ich kann euch einen Besuch in der Steinhalle wirklich von Herzen empfehlen. Die Plätze am Chef’s Table sind perfekt, wenn man zu zweit ist. Denn man kann sich an der Bar sitzend gut unterhalten und bekommt gleichzeitig eine kulinarische Show geboten. Die Atmosphäre im Restaurant ist sehr angenehm und wird dem Namen «Casual Dining» gerecht. Man fühlt sich ein bisschen wie bei Freunden, nur dass diese Freunde unglaublich gut kochen können 🙂 Jeder einzelne Gang (und Zwischengang) des Menüs «Wald» hat vortrefflich geschmeckt. Einziges Manko, wenn man so will: Es war sehr Fisch-lastig. Ich persönlich liebe Fisch, aber etwas mehr Abwechslung in dieser Hinsicht hätte das Menü perfekt gemacht.
Ich bin gespannt, was die nächsten Saisonmenüs so bieten. Wahrscheinlich werde ich nicht jedes probieren können, aber ich war auch bestimmt nicht das letzte Mal in der Steinhalle. Übrigens gibt es auch ein Mittagsangebot: «Easy Lunch» heisst dieses und soll ebenfalls ganz lecker sein (und kostet übrigens viel weniger als das Abendmenü). Ich selbst hab das Lunch-Angebot noch nicht getestet, es steht aber ganz weit oben auf meiner To-Eat-Liste.
Ich wurde freundlicherweise zum Testessen in die Steinhalle eingeladen. Herzlichen Dank dafür an dieser Stelle!
1 Comment
Hey
respekt tolle Bilder – der Artikel ist klasse geschrieben
gruss
Thomas